Die Gruppentherapie hat sich in ihrer langen Geschichte als höchst effektive und nützliche Form der Psychotherapie erwiesen. Sie ist ebenso nützlich wie eine Einzeltherapie und manchmal sogar noch nützlicher, insbesondere wenn soziale Unterstützung und das Erlernen von Kompetenzen im Bereich interpersonaler Beziehungen wichtige Behandlungsziele sind. Die meisten Menschen, die an einer Gruppentherapie teilnehmen, profitieren von dieser in starkem Maße. Obgleich eine Gruppentherapie im Allgemeinen sehr unterstützend wirkt, kann es sein, dass Klienten sie zeitweilig als belastend erleben. In diesem Beitrag finden Sie eine Zusammenstellung von Informationen und Leitlinien für die Teilnahme an einer Gruppentherapie, die Ihnen die Entscheidung für und den Einstieg in eine Gruppe erleichtern sollen.
Einige Ziele der Gruppenpsychotherapie
Viele Menschen, die sich in eine Therapie begeben, fühlen sich in ihrer Lebenssituation isoliert und unzufrieden. Häufig haben sie Probleme damit, eine enge, für beide Seiten befriedigende und bedeutsame Beziehung zu anderen Menschen aufzubauen und am Leben zu erhalten. Häufig sind sie daran interessiert, mehr darüber zu lernen, wie sie zu anderen Menschen in Beziehung treten können.
Eine Gruppentherapie bietet die Möglichkeit:
- Unterstützung und Feedback zu empfangen und selbst zu geben
- interpersonale Beziehungen und ganz allgemein die Kommunikation zu verbessern
- mit neuen interpersonalen Verhaltensweisen zu experimentieren
- ehrlich und direkt über Gefühle zu sprechen
- sich über die eigenen Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen klar zu werden und sie zu verstehen, indem man sich mit den Beziehungsmustern auseinandersetzt, die man sowohl innerhalb als auch außerhalb der Gruppe bevorzugt
- die Gedanken, Gefühle und Verhaltensweisen anderer Menschen zu verstehen
- Selbstvertrauen, Selbstbild und Selbstachtung zu verbessern
- sich innerhalb der Gruppe zu verändern mit der Erwartung, dass diese Veränderungen später auch auf das normale Leben übergehen werden.
Was ist in der Gruppe zu tun? Welches Verhalten wird von Ihnen erwartet?
Es gibt keine im Voraus festgelegte Tagesordnung für die einzelnen Sitzungen. Die Teilnehmer und Teilnehmerinnen werden aufgefordert, über persönliche Probleme oder Beziehungsaspekte zu sprechen, die für die Probleme und Ziele, deretwegen sie sich in die Therapie begeben haben, relevant sind.
Die Gruppenteilnehmer werden aufgefordert, einander zu unterstützen, Fragen zu stellen, sich über Dinge, die gesagt oder nicht gesagt worden sind, Gedanken zu machen und ihre Assoziationen und Gedanken in der Gruppe mitzuteilen. Besondere Bedeutung wird der Untersuchung der Beziehungen zwischen den Gruppenmitgliedern beigemessen – das heißt, dem „Hier und Jetzt“.
Sie werden oft aufgefordert, ihre Eindrücke über die anderen Teilnehmer und Teilnehmerinnen mitzuteilen – ihre Gedanken, Ängste und positiven Gefühle.
Je stärker wir im Hier und Jetzt der Gruppe arbeiten, umso effektiver ist die Arbeit.
Selbstoffenbarungen sind notwendig, um von einer Gruppentherapie zu profitieren, doch sollten die Mitglieder sich grundsätzlich erst dann offenbaren, wenn sie das Gefühl haben, dass sie dazu bereit sind. Wir drängen nie jemanden zu Bekenntnissen.
Um eine therapeutische Umgebung zu schaffen, fordern wir die Gruppenmitglieder stets auf, sich anderen Mitgliedern gegenüber konstruktiv zu äußern. Nützliches Feedback konzentriert sich auf das, was im Hier und Jetzt geschieht; es beschuldigt nicht, ist relevant und stellt zwischen dem Mitglied, das Feedback erhält, und dem Mitglied, welches das Feedback gibt, eine Verbindung her. Diese Art von direktem Feedback und Engagement ist neuartig: In unserer Kultur sprechen Menschen nur selten so ehrlich und direkt miteinander. Deshalb wird dieser Umgang möglicherweise zunächst als riskant empfunden, doch andererseits kann er auch als zutiefst verpflichtend und bedeutsam erlebt werden.
Direkte Ratschläge vonseiten anderer Gruppenmitglieder und vom Therapeuten sind nicht immer von Nutzen. Ebenso wenig sind allgemeine Gespräche über Themen wie Sport oder Politik sinnvoll, es sei denn, irgendein Aspekt eines aktuellen Ereignisses ist für die persönlichen und interpersonalen Probleme eines Gruppenmitglieds wichtig.
Die Therapiegruppe ist nicht der geeignete Ort, um Freundschaften zu schließen. Vielmehr ist sie ein soziales Laboratorium – ein Ort, an dem man Fähigkeiten entwickeln kann, die es ermöglichen, bedeutsame und befriedigende Beziehungen aufzubauen. Therapiegruppen fördern (anders als Unterstützungsgruppen (Selbsthilfegruppen) oder soziale Gruppen) nicht den Kontakt zwischen ihren Mitgliedern außerhalb des Gruppengeschehens.
Warum ist das so? Weil eine Beziehung zwischen den Mitgliedern einer Therapiegruppe im Allgemeinen die therapeutische Arbeit innerhalb der Gruppe behindert!
Wie wird die Therapie behindert? Um dies erklären zu können, müssen wir zunächst klarstellen, dass die primäre Aufgabe in einer Therapiegruppe darin besteht, die Beziehungen zwischen ihren Mitgliedern zu erforschen. Diese mögen zunächst als rätselhaft oder als mit den Gründen, aus denen Sie die Therapie begonnen haben, in keinerlei Zusammenhang stehend erscheinen.
Doch wenn Sie sich die Tatsache vor Augen führen, dass die Gruppe ein sozialer Mikrokosmos ist, werden Sie allmählich verstehen, worum es geht: dass die Probleme, die Sie in Ihrem normalen sozialen Umfeld erleben, auch in Ihren Beziehungen innerhalb der Gruppe zum Ausdruck gelangen. Indem Sie alle Aspekte Ihrer Beziehungen zu anderen Gruppenmitgliedern untersuchen und zu verstehen lernen und dieses Wissen anschließend auf Ihr Leben außerhalb der Gruppe übertragen, beginnen Sie mit dem Aufbau befriedigender Beziehungen.
Entwickeln Sie hingegen außerhalb der Gruppensitzungen eine enge Beziehung zu einem anderen Gruppenmitglied (oder zu mehreren Gruppenmitgliedern), sind Sie vermutlich nicht unbedingt darauf aus, alle Ihre Gefühle über diese Beziehung innerhalb der Gruppe mitzuteilen.
Warum? Weil eine solche Freundschaft Ihnen so viel bedeutet, dass es Ihnen widerstrebt, sie auf diese Weise zu gefährden. Was geschieht in einer Therapiegruppe, wenn Offenheit und Ehrlichkeit beeinträchtigt werden? Der therapeutische Prozess gerät ins Stocken!
Deshalb sollten Mitglieder, wenn sie sich (zufällig oder absichtlich) außerhalb der Gruppe treffen, alle relevanten Informationen über solche Treffen der Gruppe mitteilen. Jede Art von Geheimhaltung über Beziehungen zu anderen Gruppenmitgliedern verlangsamt die therapeutische Arbeit.
Manchmal entwickeln Gruppenmitglieder starke Gefühle gegenüber anderen Mitgliedern.
Wir fordern sie dann stets dazu auf, über derartige Gefühle in der Gruppe zu sprechen, sowohl über positive als auch über solche wie beispielsweise Ärger oder Enttäuschung.
Von den Gruppenmitgliedern wird generell erwartet, dass sie über ihre Gefühle sprechen, ohne sie auszuagieren.
Gruppentherapeuten
Ihre Gruppentherapeuten sind nicht dafür da, die Arbeit für Sie zu tun. Ihre Aufgabe ähnelt eher der eines teilnehmenden Moderators als der eines Lehrers.
Eine Therapie ist dann am produktivsten, wenn sie eine kollaborative und gemeinschaftliche Aktivität ist.
Oft sind die Außerungen anderer Gruppenmitglieder dabei ebenso wichtig oder sogar noch wichtiger als die des Gruppenleiters. Die Therapeuten können Beobachtungen über die Interaktion innerhalb der Gruppe und über das Verhalten der einzelnen Mitglieder beisteuern oder darüber, was bestimmte Mitglieder in der Gruppe sagen oder tun. Ebenso können sie sich über Fortschritte oder Blockaden innerhalb der Gruppe äußern.
Wenn Sie den Gruppentherapeuten etwas zu sagen haben, so hoffen wir, dass Sie dies möglichst während der Gruppensitzungen tun. Falls Sie jedoch das Gefühl haben, dass Sie in der Zeit zwischen den Gruppensitzungen dringend etwas mit einem der Gruppentherapeuten besprechen müssen, so wird Ihnen dies ermöglicht. Allerdings ist es in der Regel nützlich, über das Besprochene in der nächsten Gruppensitzung zu reden. Auch über wichtige Aspekte Ihrer gleichzeitigen Einzel- oder Paartherapie bei einem anderen Therapeuten sollten Sie in der Gruppe sprechen. Wir hoffen, dass es für Sie keine Themen gibt, über die Sie während der Gruppensitzungen nicht reden können. Andererseits ist uns klar, dass Ihr Vertrauen zur Gruppe erst allmählich entsteht und dass Sie über manche persönlichen Dinge erst offen reden werden, wenn Sie sich innerhalb der Gruppe sicher genug fühlen.
Vertraulichkeit
Alle Äußerungen von Teilnehmern einer Psychotherapiegruppe müssen mit äußerstem Respekt und mit Vertraulichkeit behandelt werden. Dies ist ein wesentlicher Bestandteil ethisch und beruflich einwandfreien Verhaltens.
Wie vom Therapeuten, wird auch von allen Gruppenmitgliedern Vertraulichkeit erwartet. Dies ist notwendig um eine sichere Umgebung für die therapeutische Arbeit zu schaffen und die Entstehung des Vertrauens innerhalb der Gruppe zu ermöglichen. Den meisten Menschen, die sich einer Therapie unterziehen, ist es wichtig, dass dies ihre Privatangelegenheit bleibt, weshalb sie es vorziehen, mit anderen Menschen nicht darüber zu sprechen. Falls Sie jedoch in Gesprächen mit Freunden oder Familienmitgliedern irgendwann auf Ihre Gruppentherapie zu sprechen kommen möchten, sollten Sie ausschließlich über das sprechen, was Sie selbst erlebt haben, nicht über die Erlebnisse anderer Gruppenmitglieder. In keinem Fall sollten Sie Außenstehenden gegenüber die Namen anderer Gruppenmitglieder erwähnen oder irgendetwas sagen, wodurch sich auf die Identität der anderen Gruppenmitglieder schließen lässt.
Anfängliche Verpflichtung oder Probezeit
Die Gruppentherapie hat für ihre Teilnehmer nicht immer sofort positive Auswirkungen. Deshalb haben diese manchmal schon früh den Wunsch, die Teilnahme zu beenden, weil sie ihnen zu anstrengend wird. Deshalb möchten wir Sie bitten, Ihr anfängliches Urteil über die erhoffte Wirkung der Gruppenarbeit zunächst außer Acht zu lassen, die Mitarbeit fortzusetzen und über die damit verbundenen Belastungen und Ihre Zweifel an der Therapie zu sprechen.
Wenn Sie in die Gruppe einsteigen, sollten Sie sich vorstellen können, zumindest ein halber Jahr bis ein Jahr an der Maßnahme teilzunehmen. Wir bitten Sie weiter, sich für mindestens 12 Gruppensitzungen an der Teilnahme zu verpflichten. Nach dieser Zeitspanne werden Sie sich über den potenziellen Nutzen der Gruppe klarer sein!
Teilnahme und Gruppenkohäsivität
Die Gruppe arbeitet am wirksamsten, wenn sie kohäsiv (einen ausgeprägten „Wir-Gefühl“/Gruppengeist/Zugehörigkeitsgefühl/Attraktivität für ihre Mitglieder hat), zuverlässig und voraussehbar ist.
Da die regelmäßige Teilnahme aller Mitglieder eine äußerst wichtige Voraussetzung hierfür ist, fordern wir Sie auf, den Gruppensitzungen in Ihrer Terminplanung höchste Priorität zu geben.
Eine Gruppentherapie erfüllt dann am besten ihren Zweck, wenn alle Mitglieder das Engagement und die Arbeit aller Übrigen respektieren und schätzen. Regelmäßige Teilnahme an den Sitzungen und aktives Engagement während der Sitzungen sind eine wichtige Art, Wertschätzung und Respekt zum Ausdruck zu bringen. Ebenso wichtig ist Pünktlichkeit bei jeder Sitzung. Wenn Sie wissen, dass Sie zu spät kommen oder gar nicht teilnehmen können werden, sollten Sie die Gruppentherapeuten möglichst lange vorher darüber informieren, damit diese die Gruppe zu Beginn der Sitzung darüber in Kenntnis setzen können.
Wenn Sie eine Woche oder länger vorher wissen, dass Sie zu einem bestimmten Termin zu spät kommen oder gar nicht kommen werden, dann informieren Sie die Gruppe bei einer Sitzung vor diesem Termin darüber. Außerdem bitten wir Sie, die Gruppe über Ihre Urlaubspläne so früh wie möglich zu informieren. Auch die Gruppentherapeuten werden es so halten.
Es wird sicher Situationen geben, in denen die Gruppe der Ort sein wird, an dem Sie am allerwenigsten sein möchten, weil Sie sich sehr unwohl fühlen. Solche Situationen sind häufig besonders produktiv für die therapeutische Arbeit.
Sie können weiterhin damit rechnen, dass einige der Schwierigkeiten, die Sie in Ihrem Leben hatten, auch in der Gruppe auftreten werden. Lassen Sie sich dadurch nicht entmutigen, denn in Wahrheit ist dies eine wichtige Chance, weil es bedeutet, dass Sie und die anderen Gruppenmitglieder sich mit für Sie sehr wichtigen Dingen beschäftigen.
Durch Ihre Entscheidung, an einer Gruppentherapie teilzunehmen, haben Sie mit einem Prozess des Gebens und Annehmens von Unterstützung begonnen sowie mit der Arbeit an wichtigen Veränderungen in Ihrem persönlichen Leben und im zwischenmenschlichen Umgang. Wir freuen uns auf die Möglichkeit, in dieser Gruppe mit Ihnen zusammenarbeiten zu können!
(Text modifiziert nach Theorie und Praxis der Gruppenpsychotherapie, Irvin D. Yalom, 2005)